Kunstverein Wesseling,
2017
  Dieter Laue

…Auf seinen Tauchgängen beginnt ihn ein neues Sujet zu faszinieren - Sand: die sich unter der Dünung und den hinterlassenen Spuren von Seesternen und Einsiedlerkrebsen stetig verändernden Strukturen des Sandes auf dem Meeresboden. Für dieses neue Thema verlässt er das Wasser des Meeresgrundes und bricht in ein gänzlich anderes Territorium auf…

…Von Michelangelo wissen wir, dass die Gestaltung bereits im Material enthalten ist, man muss sie aber daraus befreien. Sie muss aufgespürt, gegraben oder eben aus Höhlen befreit werden. So ans Licht gebracht, können Tonscherben, Pfeilspitzen und Ideogramme zu einer ganz neuen Bedeutungsebene gelangen. Sinnstiftendes, das vom bedeckenden Sand befreit, sich als in unserm Inneren bereits vorgebildet erweist…

 
 

Kunstverein Wesseling,
2012
  Marcel Krenz

…Nun scheint die Vereinigung von erotischen Körperformen aus dynamischen wie statischen Sequenzen aus dem Sport mit visuellen Werbebotschaften in den „Kronkorken“-Fotografien auch im Jahr 2012 gegenüber dem Schaffen von Ramos oder Wilp nichts an Brisanz verloren zu haben, verknüpfen sie doch einen profanen Wegwerfartikel wie die Verschlüsse von Getränkeflaschen mit dem nackten menschlichen Körper. Dabei verschmelzt Bergmann Körper und Werbemittel durch geschickt ausgewählte Form- und Farbanalogien untrennbar miteinander und überhöht dabei das scheinbar Profane zur scheinbar so erhabenen Kunst. Das üblicherweise so achtlos Konsumierbare wird damit auf eine neue, höchst sinnliche Reflektionsebene gehoben…

…In ihrer technischen Verfremdung aus übereinander gelagerten Bildmotiven, die er zunächst durch die Überblendung von Dias und heute mit digitalen Mitteln erzielt, führt Rüdiger Bergmann diese wie in den angelegten Themen der Fotoarbeiten „Schrift“, „Neonreklame“ und „Bananensticker“ seit 2006 kontinuierlich weiter. Durch die Fusion solcher bereits zuvor von ihm mit künstlerischen Mitteln untersuchten Themen und Motive, wie die Bildebenen der Unterwasser-Zeichnungen, Seelandschaften, Fassadenstrukturen, der Farbauszügen von Bildern und Oxidationen oder dem aktuellen Sujet der Graffitis, entdeckt der künstlerisch höchst versatile Rüdiger Bergmann in jedem der Genres, die er sich zu eigen macht, neue Ausdrucksmöglichkeiten…

 
 

Fotobuch “CROWN CUPS”,
2010
  Marcel Krenz

…Ab 2000 erarbeitet sich Bergmann das Medium der Fotografie. Auch hier zeigt sich wieder seine Faszination an der Ästhetisierung des menschlichen Körpers. In technisch-handwerklich brillianten Fotografien schafft er Überblendungen von Körpern mit Zeichen der werblichen Welt…

…Bei allen offenkundigen Bezügen zur Kritik an einer zunehmend kommerzialisierten Welt erreicht der Künstler dennoch jederzeit eine überzeugende Schönheit, die an die klassischen Repräsentationen der Kunstgeschichte anknüpfen. Sie entlocken dem Betrachter eine Ja-aber-Reaktion, in der eben diese glatte Ästhetik nicht unreflektiert bleiben und nicht mit dem eigentlichen Werbe-Produkt verwechselt werden kann. Damit antizipiert und thematisiert Rüdiger Bergmann die dem Genre der erotischen Fotografie von Anbeginn innewohnende Kritik und stellt sich somit als Protagonist in die Tradition des kunstgeschichtlichen Zitierens und Persiflierens. In der Neu-Erfindung, Weiterführung und Fortentwicklung der Formfindungen bedeutender Künstler des 19. und 20. Jahrhunderts verweist er dabei stets auf die Aktualität seiner Darstellungsmittel und schafft darüber hinaus stets eigene gestalterische Möglichkeiten auf dem Weg zu einer erotischen Fotografie.

 
 

Fotobuch "Venusdelta", 2008
  Wolfgang Werner

... Bei seiner fotografischen Arbeit geht ihm ein im Jahr 2001 gesehenes Foto von Günter Blum nicht mehr aus dem Sinn. "Natalie Portrait II 1996" sah er als Originalfoto in Köln und später auch im Bildband "Günter Blum Venus" abgebildet. Der formale Aufbau dieser Fotografie, die Offenheit der Sitzposition und der verführerische Blick haben ihn ergriffen .Diese erotische Fotoarbeit regte ihn an, seine Modelle in vergleichbarer Sitzhaltung fotografisch festzuhalten und für die erste Bildebene einzusetzen ...

 
 

Fotobuch "Dajana", 2008
  Dajana Olasz

Dajanas handschriftlicher Text zu ihrem ersten Shooting wurde in die Gestaltung des Buches mit einbezogen.

 
 

Galerie Seidel Köln, 2007
  Peter V. Brinkemper

... Anfang der 90er Jahre sieht sich Rüdiger Bergmann durch vielfältige Reiseeindrücke angeregt zu intensiveren Experimenten mit Sand als möglichem Bilduntergrund oder sogar eigentlichem Darstellungsmedium. Die warmen Erdtöne, Braun und Ocker, wie sie die Sepik-Stämme in Papua-Neuguinea einsetzen, verdrängen aber noch nicht die fast allgegenwärtige Farbskala aus der Unterwassermalerei. Die bewusste Wahrnehmung des Korallensandes am Meeresboden um 1992 führt zu den ersten Sandbildern ...

... In den Sandarbeiten für Moskau, aus dem Jahre 2005, wird der Purismus der früheren Naturarbeiten verlassen. Verstärkt wird der Charakter des Tableaus, des Reliefs und des Fundortes durch weitere Collage-Elemente, in die urbane Richtung einer naturalistischen Assemblage und eines großformatigen Albums mit den Akzenten einer modernen Autobiographie, wobei ältere und neuere Symbole mit aktuellen Eindrücken und Mitbringseln aufgemischt werden: Auf dem naturhaften Untergrund siedeln sich gegenwärtige Bildwelten, Postkarten, Kronkorken, Graffitis und andere Zeichen, in teils zufälligen, teils bildwirksamen Konstellationen, mitunter in poetischer Form: "Künstlercafe", "Galerie Phönix" ... Bergmanns Technik spielt mehrschichtig mit der alltäglichen und der symbolischen Bedeutung der Dinge und lässt sie, wie nebenbei, in den mythologischen Formationen und Formaten auftreten, die er in den früheren afrikanischen Arbeiten entwickelt hat ...

 
 

Galerie Seidel Köln, 2004
  Ekkehard Drefke

Die Bildkompositionen Rüdiger Bergmanns entspringen der Bilderwelt unserer heutigen Zeit und gehen doch über die flüchtigen Flimmer-Reize, die sie erzeugt, weit hinaus. In ihrer geheimnisvollen, magischen Pracht und Sinnlichkeit mit ihren erotischen Anspielungen sind sie nur bei genauem und geduldigem Hinsehen und Auf-Sich-Wirken-Lassen erfahrbar.

Hier in dieser Präsentation haben wir nun Verschmelzungen von Körpermotiven mit Unterwasserbildern, ... Kompositionen von Mollusken mit Körperfiguren und Neonschriftzüge mit Körperfotos - eine Fülle von Motiven.

Die Unterwasser-Zeichnungen und -Fotografien stammen aus der zweiten wichtigen Arbeitsphase, in der das Element Wasser mit der Pracht und Kostbarkeit entfaltenden Farb-/Formenwelt als Erlebnis urtümlicher Daseinsformen Pate stand. Auch hier haben sie weiterhin einen prägenden Charakter, sie stellen zu einem wichtigen Teil mit ihrer Lichtgebung und in ihrer wuchernden Fülle das Korrespondenzelement für die darin aufscheinenden Körperformen dar. Charakteristisch dafür ist es, dass die menschlichen Figuren nur bei längerem Sich-Hineinsehen richtig erfasst werden können. Sie sind sozusagen eingebunden in das Element Wasser wie Embryos im Mutterschoß, ein Motiv, das nicht nur als Metapher, sondern von Bergmann auch direkt dargestellt wird ...

... Dagegen steht bei der Bildgruppe mit den Mollusken - Muscheln und Schnecken - das plastisch-körperhafte Element im Vordergrund, das Bergmann in seinen bildhauerischen Anfängen so anhaltend prägte.

 
 

Authentic Köln, 2003
  Axel Brand

Dass sinnliche Empfindungen auch in der digitalen Welt ausgedrückt werden können, dafür sind die bearbeiteten digitalen Fotografien von Rüdiger Bergmann der beste Beweis.

Aktfotos mit Schriftbildern in ästhetisch hervorragender Manier kombiniert und mit sensiblem Farbempfinden ausgeführt, sind die Grundlage des erotischen Ausdrucks, der in allen Bildern von Bergmann sichtbar ist.

Die digital bearbeitete Fotografie ist das verbindende Medium in der kreativen Arbeit von Rüdiger Bergmann. Einmal sind es die vornehmlich weiblichen Aktaufnahmen, die das Körperhafte seiner bildhauerischen Steinskulpturen und Bronzen wiedergeben; zum anderen die Reliefs, Strukturen und Naturformen, die an seine Sandbilder anknüpfen und nicht zuletzt die Farbigkeit, die an seine Unterwasser-Zeichnungen erinnern.

 
 

Völkerkundemuseum Wuppertal, 1999
  Beate Ostermann

Die Entdeckung fremder Welten prägt die Kunst Rüdiger Bergmanns. Die Impulse und Inspirationsquellen seiner künstlerischen Arbeit sucht und findet er auf seinen Reisen. Vor 17 Jahren beginnt er bei Tauchexpeditionen, das Leben der Meere und Ozeane malerisch zu erforschen. Bilder und Aktionen der "Submarin Art" öffnen den Blick des Betrachters auf ungewöhnliche Seh-Erlebnisse der bizarren Welt unter Wasser. Durch eine Reise zu den Galapagos-Inseln 1987 führt diese Suche nach dem Ursprung des Lebens zu dem Thema "Evolution". Im Januar 1995 entdeckt Bergmann den Westen Afrikas und ist fasziniert von der Landschaft und den Kulturen der dort lebenden Völker. Diese Reise wird zum Schlüsselerlebnis für den Beginn einer intensiven Auseinandersetzung mit der archaischen Kultur afrikanischer Völker, die bis heute im Zentrum seiner künstlerischen Arbeit steht...

Das Bild "Übergang" macht diesen Themenwechsel deutlich. Hinter einer blau-grauen Farbschicht, die mit weißlichen Pinselstrichen fast zum Lodern gebracht wird, verblassen die Umrisse von Quadrat, Kreis und Dreieck. Als Relikte seines früheren Themenkreises "Evolution" sieht Bergmann in diesen Zeichen die chemischen Bestandteile der Ursuppe, aus der durch elektrische Impulse Leben entstehen konnte. Nun übermalt er die geometrischen Formen mit neuen afrikanischen Symbolen und gestaltet darin den "Übergang" zu einer neuen Werkphase…

Durch die Gestaltung mit dem Material Sand deckt Rüdiger Bergmann Bezüge zu seinem eigenen Œuvre auf. Schon bei den Zyklen "Submarin Art" und "Evolution" wird der Meeresboden zum Untergrund für Bilder und Aktionen, so 1987 bei der Aktion "Evolution" mit Seelöwen, als er seine geometrischen Symbole für die Entstehung des Lebens in den Flutsaum auf den Galapagos-Inseln zeichnet ...

... Der Schlüssel zur Deutung der Symbole verbirgt sich in den Mythen und Ritualen der afrikanischen Völker, denen Bergmann bei seinen Reisen durch Mali und Burkina Faso begegnet. Dabei ist es besonders die Mythologie der Dogon, die Bergmann nachhaltig beeinflusst ...

Rüdiger Bergmann fasziniert besonders die geschlossene Kosmologie dieses afrikansichen Stammes, da ihre Religion selbst das Alltagsleben bis ins Detail bestimmt und auf diese Weise eine Einheit von Glauben und Leben schafft. Gerade die frühere, intensive Auseinandersetzung Bergmanns mit dem Thema "Evolution" und den Fragen nach dem Ursprung des Lebens läßt die Schöpfungsgeschichte dieses Volkes für ihn so interessant werden.

Der Schöpfungsmythos der Dogon geht auf den männlichen Schöpfergott Amma, den Sonnen- und Himmelsgott, zurück. Amma zeugte den Sohn Nommo als ein Zwillingspaar beiderlei Geschlechts. Der Wassergott Nommo vervielfachte sich zu vier weiteren Zwillingspaaren, ebenfalls jeweils mit einem männlichen und einem weiblichen Zwilling, die als vier Paare oder acht Personen die erste Ahnengeneration darstellen…

Mit dem Bild "Gaoua" von 1999 führt Rüdiger Bergmann die künstlerische Auseinandersetzung mit afrikanischen Kulturen in eine neue Richtung. Als neues Gestaltungsmittel setzt er Fundstücke zu einer Assemblage in den sandigen Bildgrund... Auch die Kronkorken, die er in loser Reihung in den Sand gedrückt hat, sind als Abfallprodukte Elemente der Wirklichkeit ...

 
 

Kunstverein Erftstadt, 1995
  Beate Ostermann

... Nun findet Bergmann zu etwas Neuem, Ausgangspunkt ist auch hier eine Reise, die zum Schlüsselerlebnis wird. Im Januar 1995 entdeckt er erstmals den Westen Afrikas und ist fasziniert von der Landschaft und den Kulturen der dort lebenden Völker. Er kehrt von dieser Reise mit einer ganzen Fülle von Wissen, neuen Eindrücken und Seh-Erlebnissen zurück. In seinem Gepäck befinden sich zahlreiche Skizzen von Landschaften, aber vor allem von mythischen Zeichen und Symbolen und sogar Erdproben der verschiedenfarbigen Sandböden. Sie sind das Rohmaterial und die Basis, aus der nun in dichter Folge Arbeiten zu einem Afrika-Komplex entstehen ...

... Auffallend ist eine gegenüber den früheren Arbeiten veränderte Farbigkeit, die sich neben einem kräftigen Blau fast ausschließlich dem Sujet gemäß auf eine Palette von Erdtönen beschränkt. Die Brillanz des Ultramarin-Blau entwickelt besonders als monochrome Fläche eine Farbintensität, die selbst die Leuchtkraft der Blautöne des Werkzyklen "Submarin Art" und "Evolution" noch übertrifft ...

 
 

Kunstverein Wesseling, 1990
  Albert Klütsch

... Rüdiger Bergmann hat das Tao mit den Mitteln der Malerei übersetzt - ins Te, der im Menschen wirkenden Kraft, die sich aus dem Schöpfungsakt speist. Laotse setzt im Tao das Sanfte gegen die Härte, die Stille gegen den Lärm, die Anpassung gegen den Widerstand. Bergmann gleitet schwerelos wie ein Fisch in der Strömung. Er widersetzt sich submarin nicht der Urkraft, die ihn umgibt. Er speist sich aus ihr. Das Wasser filtert Farben ab, nimmt Konturen die Schärfe. Bergmann nimmt die Stille unter Wasser auf, macht uns die sanfte Bewegung des Seegrases in der Dünung sehen. Er macht uns teilhaben an jenem einfachen Lebenszyklus von Schöpfung und Zerstörung, von Geburt und Tod, wo der Tod keine Tragödie, sondern der Beginn der Rückkehr des Teils zum Ganzen ist, das mannigfach neu gebiert ...

... Wer mit Bergmann aus der Tiefe auftaucht, erlebt den Reiz pastellartiger Farben, die sich aus der submarinen Flut von Licht und Wasser gebären. Wer mit Bergmann ins Wasser eintaucht, um seine Bilder zu sehen, kommt nicht nur dem Erlebnis dieser Bilder, sondern auch jenem Schöpfungsakt nahe, dessen Teil wir sind.

 
 

Westpreußisches Landes- museum Münster, 1989
  Klaus Flemming

... Da begibt sich ein Künstler - mit der entsprechenden Ausrüstung ausgestattet - etliche Meter unter den Meeresspiegel, sammelt dort Eindrücke, die er später auf festem Boden umzusetzen gedenkt, und zeichnet sogar unter Wasser mit Hilfe spezieller Materialien, die den Unterwasserströmungen und den andersartigen Umgebungsverhältnissen trotzen ...

... Die Initialzündung, die Bergmanns künstlerisches Interesse auf das feuchte Element mit seiner vielfältigen Flora und Fauna lenkte, ging von den Erlebnissen aus, die den Sporttaucher bei zahlreichen Tauchgängen beeindruckt hatten. Es war nicht allein die häufig skurrile Motivwelt der oft urweltlich anmutenden Fische, Muscheln und Korallen, die ihn zur künstlerischen Umsetzung und Verdichtung reizte, sondern vor allem auch das unwirkliche, von Tauchtiefe und Sonnenstand abhängige Licht, das wiederum die Farben beeinflusste ...

Vor allem die großen Gemälde treiben diesen Abstraktionsprozess immer weiter voran. Die Gegenstandswelt tritt hinter Farbschleier und -verläufe zurück, die sich zu bewegten Kurvaturen ordnen - analog den Wasserbewegungen und Strömungen, die die Unterwasserwelt ganz offensichtlich im wahrsten Sinne des Wortes bewegen.

Es entstehen nahezu abstrakte Gemälde, die aus der Bewegtheit der farbigen Linienführung - wobei es sich freilich nicht um präzise konstruierte Linien, sondern um skizzenhafte Farbverläufe handelt - leben und einen Sog in imaginäre Tiefen suggerieren ...

Bei aller Verfremdung der Sujets bleibt doch spürbar, dass Bergmann der Entstehung des Lebens im Urmeer in den heute überlieferten Formen künstlerisch nachspürt. Er lässt sich leiten von dem Staunen über die Einzigartigkeit der Unterwasserwelt. Das Faszinosum des Erlebens vor Ort versucht er "einzufrieren" in farbige Momentaufnahmen dieser so unwirklich erscheinenden Atmosphäre, die dennoch von dieser Welt ist, und bringt Ausschnitte davon jenen mit, die zum Sehen bereit sind.

 
 

Galerie Eylau´5 Berlin, 1987
  Pia Heckes

... Landschaften ganz anderer Art erschließen die Bilder von Rüdiger Bergmann. Landschaften, die sich normalerweise dem Menschen entziehen, die ihm immer fremd bleiben müssten, da er sich ihnen nicht nähern kann. Erst moderne Tauchgeräte machen einen Aufenthalt für längere Zeit unter Wasser möglich, geben dem Maler Zeit, sich mit Formen und Farben auseinander zu setzen und sie umzusetzen. Es entstehen Bilder, die dem Betrachter Dinge zeigen, die er zuvor noch niemals gesehen hat, die zuvor noch niemals Gegenstand von Gemälden waren. Mördermuscheln, Schnecken, Seeanemonen - halb Tier, halb Pflanze, so scheint es, - Lebewesen, die seit Jahrmillionen die Welt unterhalb des Meeresspiegels bevölkern.

Rüdiger Bergmanns Malerei, wie auch seine Plastiken, entstehen aus der Faszination des Lebensraumes unter Wasser…

Die Geheimnisse um die Entstehung des Lebens faszinieren Rüdiger Bergmann, er hat sie zum Thema zahlreicher Arbeiten gemacht. Bei seinem Besuch auf Galapagos im April 1987 bezog er die Landschaft in seine Arbeiten mit ein, zeichnete Kreis, Dreieck, Viereck und Blitz in den Sand, es entstand das erste Landartobjekt Bergmanns. Die Zeichen symbolisieren die wichtigsten Bestandteile der Ursuppe: Wasserstoff, Ammoniak, Methan, der Blitz steht für die Energie aus der Atmosphäre. Diese drei Symbole für die Elemente, aus denen das Leben vor Milliarden Jahren in Form von Einzellern entstand, kehren in Bergmanns Arbeiten immer wieder und beziehen sich auf die Entwicklung des Lebens auf der Erde ...

Bergmanns Arbeiten reflektieren die Auseinandersetzung mit der Suche nach Spuren frühesten Lebens. Seine Unterwasserbilder, Skulpturen und die neueren Rostbilder beziehen sich auf diesen Themenkreis und eröffnen dem Betrachter immer neue Einblicke in die Welt unterhalb des Wasserspiegels. Bergmanns Themen kreisen um Evolution, die Entstehung des Lebens im Urozean.

 
 

Eschweiler Kunstverein, 1985
  Gerhard Kolberg

Der Maler und Bildhauer Rüdiger Bergmann, seit zehn Jahren ein begeisterter Sporttaucher, entdeckte - dank der hoch entwickelten Tauchtechnologie unserer Zeit - die Welt unter Wasser als aspektreiche Quelle künstlerischer Impressionen und Inspirationen. Er vermittelt dem Betrachter seiner Werke seine emotionalen und ästhetischen Erlebnisse in der feuchten Dimension - der immer noch die Faszination des Abenteuers anhaftet - teils durch unmittelbar vor Ort entstandene zeichnerische Impressionen, teils durch seine mittels kreativer Reflektion des Geschauten im Atelier geschaffene Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen und Grafiken.

Für seine außergewöhnliche Kunst prägte der tauchende Künstler den Begriff Submarin Art. Sein künstlerisches Engagement ist, wie er bekennt, grundlegend von dem Bewusstsein inspiriert, dass alles Leben seinen Ursprung im Wasser hat ...

... Bergmann "reißt", wie Albrecht Dürer das Zeichnen nach der Natur expressiv beschrieb, das selten vom Menschen Gesehene in spontaner Zeichnung hervor, band die vielfarbige Impression unter Wasser mit Ölpastellkreide auf eine spezielle Kunststofffolie, die er in einem folgenden Arbeitsgang im Atelier mit einem Farbton hinterlegt. Dieser farbliche Grundton oder Bildhintergrund wird von Bergmann schon während des Zeichnens unter Wasser gestalterisch berücksichtigt ...

... Sein gestaltender Blick für die Gesamtheit des Geschauten und der Komposition, die zeitlich nicht unbegrenzte Tauchzeit, ... , besonders aber die Sicht filternde Wassereigenschaft tragen zur Abstrahierung des Gegenständlichen in Bergmanns Werken wesentlich bei. "Sind anfangs nur unklare Umrisse erkennbar, so gewinnt das Schemenhafte erst beim Näherkommen an Gestalt", so beschreibt Rüdiger Bergmann die unter Wasser empfundene Abstraktion und stellt, hervorgerufen durch die erlebte Schwerelosigkeit in diesem Element, eine anhaltende Bewusstseinserweiterung und Anregung der Phantasie als auch ein intensiveres Erleben von Raum fest ...

Bergmann hat in den vergangenen Jahren eine interessante Werkreihe über das faszinierende Thema der "Mördermuschel" begonnen. Es sind - neben malerischen und grafischen Arbeiten - plastische Variationen dieser Thematik, die er 1983 in Basalt und 1985, nach seiner 1984 direkt unter Wasser erfolgten zeichnerischen Begegnung mit der Mördermuschel, vor allem in Marmorkiesel ausführte. Aber auch in Form von kleineren Bronzeskulpturen gibt Rüdiger Bergmann dem Thema der Mördermuschel, in dem erotische Assoziationen anklingen, spezielle Gestalt ...

In seinen jüngst vollendeten Malereien, ausgeführt entweder in Ölfarbe auf Nessel oder in Spezialfarbe auf PVC-Planenstoff, greift der Künstler, inspiriert durch seine Tauchexpeditionen, unter anderem das Thema "Dünung" auf. Die blau-gelb-violetten oder beinahe monochrom grau-grünen Kompositionen reflektieren gestalterisch den Eindruck von sich im Takt und Rhythmus der Strömung wiegendem Seegras. Es handelt sich bei diesen Arbeiten um im Atelier entstandene kreative Verarbeitung submariner Eindrücke; um Gemälde, die in ihrer gestisch impulsiven, fast impressionistisch wirkenden Malstruktur einen Grad an Abstraktion erreichen, der den berühmten Seerosenbildern des französischen Impressionisten Claude Monet ähnlich ist ...

Wie die Farben sich unter Wasser durch Licht verändern, wie man sie wirklich und natürlich im Ozean erlebt, demonstrierte Rüdiger Bergmann im Oktober 1984 in seiner ersten Unterwasser-Ausstellung in Wesseling ...

Die Fantasie ist eben ein wesentlicher Bestandteil der sich an der Wirklichkeit orientierenden Submarin Art Rüdiger Bergmanns. Und auch mit den heutigen Möglichkeiten ist die Tiefe der Ozeane für die meisten nur in der Fantasie zu erreichen. Wenngleich auch tauchende Menschen, wie Rüdiger Bergmann, uns aus dieser nahezu unbekannten Region der Erde faszinierende Dokumentationen überbringen, so wird mit der Welt unter Wasser noch lange - man sollte es hoffen - das Erlebnis des Fantastischen verbunden sein.

 
 

Galerie 10 Wesseling, 1982
  Klaus Keil

... Mit seinen "Gemmen" hat Bergmann die adäquate Namensgebung dafür gefunden. Obgleich als Begriff bekannt, ist er, verbunden mit seinen künstlerischen Darstellungen, doch eine völlig neue Wortschöpfung. Sicher kann man auch von dem bekannten Begriff ausgehen: Ein Edelstein oder meist Halbedelstein mit vertieft eingeschnittenem Bild. Insofern besteht in der Tat eine Verwandtschaft mit dem Ausgangsbegriff, denn Einschnitte unterschiedlicher Tiefe verursachen seine Werke: Einschnitte in gewohnte Sehweisen, Einschnitte in die Oberfläche menschlicher Realität, Einschnitte in gesellschaftlich immer noch tabuisierte Lebenszonen.

... Grundlage für die "Afro-Gemme" bildet ein Antilopengehörn. Durch eine einfache Drehung - die Hörner zeigen jetzt nach unten - werden neue Formen erschlossen. Sie erinnern an menschliche Figuren… Variationen erfahren die ersten "Afro-Gemmen" durch ihre Einordnung in andere Umgebungen oder eine veränderte äußere Gestaltung. Das Grundmotiv - das Gehörn - bleibt gleich. Doch wie bei den ersten "Gemmen", so ist auch der Begriff "Afro-Gemme" nicht auf ein Motiv beschränkt, sondern eher Ausdruck einer Verbindung von verschiedenen Erfahrungs- und Erlebniswelten, die Bergmanns künstlerisches Schaffen beeinflussen. In den Skulpturen, die diese Bezeichnung tragen, wird das besonders sichtbar.